Menu
Die nächste digitale Sau bitte!
© HayDmitriy Stockfoto-ID: 338469862 Quelle: https://crello.com/

Die nächste digitale Sau bitte!

… ein Aufschrei


Gerade erreichte mich wieder eine Mail von einem Anbieter von Lehrer-Fortbildungen (davon gibt es inzwischen so viele, dass man den Überblick verliert). Die 'Subject'-Zeile lautet:

Einfache Aufgabenverwaltung mit Kanban: So gelingt die Organisation in Ihrer Klasse!

Nein, gelingt sie nicht! möchte ich dem Absender zurufen. Ohne einen Plan, wie Schule anders funktionieren müsste, bringt auch das tollste digitale Werkzeug genau gar nichts!

Betrachte ich meine Schülys, könnte ich verzweifeln. Oberstes Ziel scheint es zu sein, der Schule möglichst flugs und unberührt zu entkommen. Interesse am Inhalt: Fehlanzeige. Wille zum Lernen: ebenso. Einsicht in den Sinn von Bildung: geht sowieso gesamtgesellschaftlich gegen Null.

Ja, ich gebe zu, ich schiebe eine Menge Frust vor mir her. Frust darüber, dass den pädagogischen Sonntagsreden, die rundherum geschwungen werden, ein schulischer Alltag gegenübersteht, der in erster Linie aus Schüleraufbewahrung gepaart mit Mängelverwaltung zu bestehen scheint. Dazu kommt noch eine gehörige Portion Bildungsbürokratie, denn am Ende muss ja jedes einzelne Schüly für jedes einzelne Fach eine Note auf dem Zeugnis stehen haben.

Lehrervertretungen haben auch keinen Plan

Da schlägt vor ein paar Tagen eine Umfrage eines der Verbände bei mir auf, die uns Lehrer vertreten sollen/wollen:

Befragung zu aktuell bedeutsamen Aspekten für guten Unterricht

heißt es in der Überschrift. Dann die folgenden Fragen:

  1. Haben Sie mittlerweile von Ihrem Dienstherrn ein digitales Endgerät erhalten?
  2. An meiner Schule ist das WLAN/LAN optimal für den Unterricht nutzbar.
  3. An meiner Schule arbeiten wir mit einer geeigneten und datenschutzkonformen Lernplattform.
  4. Sorgt Ihr Schulträger für einen professionellen IT-Betreuer (Wartung, Betreuung etc. - nicht durch eine Lehrkraft!) an Ihrer Schule?
  5. An meiner Schule sind ausreichend Fachlehrkräfte für den regulären Unterricht eingestellt.
  6. Wie viele Vertretungsstunden (keine "Statt"-Stunden) haben Sie in den letzten zwei Schulwochen durchschnittlich pro Woche geleistet?
  7. Wie viele Schülerinnen und Schüler hat Ihre größte Klasse (Sek. I)?
  8. Wie viele Schüler hat Ihr größter Kurs/Ihre größte Klasse (Sek. II)?
  9. Halten Sie die politischen Maßnahmen für ausreichend dafür, dass die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende dieses Schuljahres das Versäumte nachholen können?

Vielen Dank, das war es schon!

Das sind die „aktuell bedeutsamen Aspekte für guten Unterricht”?
Thema verfehlt; sechs setzen!

Zugegeben, das war etwas überreizt reagiert. Die Fragen sind auch mir zum Großteil wichtig. Aber diese zu den aktuell bedeutsamsten zu erheben halte ich für komplett an der Realität vorbeigeschossen.

Alles für die Schülerzahlen

An einer mit bekannten Schule wurden in diesem Schuljahr – wie in vermutlich vielen anderen auch – iPad-Klassen eingerichtet. Kalkül dahinter (so zumindest mein Eindruck und auch die Vermutung zahlreicher Kollegys): Modernität signalisieren um angesichts kleiner werdender JahrgängeQuelle ausreichend Schülys zu akquirieren.

Ein pädagogisches Konzept – so behaupte ich kühn – fehlt in diesem ebenso wie in den meisten anderen Fällen. Dass ich dem iPad als techischer Plattform an dieser Stelle außerordentlich kritisch gegenüberstehe, will ich nicht verhehlen; Das ist aber eine andere Geschichte und soll ein Andermal erzählt werden.

Wer macht es besser?

Das wird schon wieder alles viel zu lang. Ich wollte doch nur kurz meinem Ärger Luft machen...
OK, also ein positiver Ausblick am Schluss:

Es gehe vor allem darum, so betonte Bildungsdirektor Kangasniemi, eine „Leidenschaft zu kreieren, das ganze Leben lang mehr lernen zu wollen. Ist das erreicht, sind wir auf der Gewinnerseite.“

Volle Zustimmung von mir. Klingt nur leider reichlich weltfremd, wenn ich mir unsere Schülys vor Augen halte. Das Zitat stammt übrigens aus dem Standard von heute (8.10.2021)
… aber schon wieder Finnland? Das Bildungs-Musterland? Können wir Deutsche und Österreicher (ja, ich werfe uns da bewusst in einen Topf) das nicht mindestens genauso gut?

Mein Lieblingsbeispiel an dieser Stelle muss ich jetzt natürlich erwähnen: die Allemannenschule Wutöschingen. Doch es gibt sicher auch in .de und .at viele weitere gute Beispiele. Gerne verlinke ich hier noch mehr.